Sonntag, 22. Oktober 2017

Ten no Kata

Ten no Kata gehört zu den jüngsten Kata des Shōtōkan-Ryū und damit zu den technisch wie historisch am besten nachvollziehbaren Kata, eigentlich jedenfalls … Häufig zu sehende Änderungen bzw. Fehler in heutigen Ausführungen stammen meist nicht von einer Institution, sondern von den Vorführenden selbst, entweder aufgrund von Verständnismangel oder weil sie sie aus „besserem Wissen“ heraus eigenständig einbrachten. Was ich hier über diese Kata schreibe, ist keine Anleitung zum Nachmachen! Meine Worte sollen dem Vergleich und als Gedächtnisstütze für bereits Gelerntes dienen. Die Fotos zeigen die Übung von Kernpunkten für Uke (Annahmen) und Oi-Zuki, die mittels Ten no Kata unterrichtet werden.

Am einfachsten kann der sichtbare Ablauf dieser Form verbessert werden, wobei ich mich auf die ursprüngliche Art der Ausführung beziehe. Wichtig ist aber, dass Worte – auch bei so einer „einfachen“ und „oberflächlichen“ Technikbeschreibung wie hier – falsch aufgefasst werden können.

Nun, die Reihenfolge für Ten no Kata Omote lautet:
Chūdan Oi-Zuki
Jōdan Oi-Zuki
Chūdan Gyaku-Zuki
Jōdan Gyaku-Zuki
Gedan-Barai • Chūdan-Zuki
Chūdan Ude-Uke • Chūdan-Zuki
Chūdan Shutō-Uke • Chūdan-Nuki
Jōdan Shutō-Barai • Jōdan-Zuki
Jōdan Age-Uke • Chūdan-Zuki
Jōdan Uchi-Komi • Chūdan-Zuki
Ten no Kata Ura folgt der Reihenfolge des zweiten Blocks. In beiden Fällen wird dabei jeder Schritt je einmal mit beiden Beinen durchgeführt. Immer wird der erste Schritt so ausgeführt, dass die rechte Hand zuerst die Angriffstechnik ausführt.

Bei den Tsuki am Anfang besteht der gestuelle Hauptfehler darin, dass die Vorführenden die Tsuki-Hand zuerst zurückziehen (entweder ganz zur Hüfte oder nur ein wenig während der Bewegung). Tatsächlich wird der Tsuki-Arm so wie er ist in einer „pendelnden“ Bewegung ansatzlos nach vorn geführt. Die jeweils andere Hand wird ebenso ansatzlos zurückgezogen (ohne so einer Vorbereitungs- / Aushol- / Abwehrbewegung).

Fast alle Schritte werden in der Grundform in den Fudō-Dachi gesetzt. Ausnahmen sind die ersten Oi-Zuki, die mit Zenkutsu-Dachi ausgeführt werden, sowie die Chūdan Shutō-Uke, die in Kōkutsu-Dachi ausgeführt werden.

Abgesehen davon ist wichtig, dass die Grundform der Ten no Kata nicht das Ende der Fahnenstange darstellt. Vielmehr können einzelne Bewegungen oder der gesamte Ablauf dem aktuellen Übungsziel in einer Übungseinheit gemäß herausgelöst, auseinandergenommen, „verändert“ werden und so als Übungsgrundlage fungieren. Das setzt aber voraus, dass erstmal die eigentliche Grundform richtig vermittelt wird …

Genau damit haperte es auch in Japan, nicht nur hier und jetzt. In der portugiesischen Übersetzung eines Texts von Egami Shigeru Sensei wird angedeutet, dass Egami Sensei selbst empfiehlt, Taikyoku und Ten no Kata aus dem Lehrplan zu streichen. Im Gegensatz dazu lautet Egami Senseis Aussage im japanischen Originaltext, dass heutzutage niemand mehr in der Lage sei, Ten no Kata auszuführen. Daher solle ihre Übung solange eingestellt werden, bis die Übenden körperlich in der Lage wären, sie wieder – und nun richtig – zu trainieren.

Selbstverständlich ist das ein großer Unterschied. Eben jene körperlichen Voraussetzungen zum richtigen Üben von Ten no Kata lassen sich leider nicht mit Worten beschreiben. Ebenso wenig kann ich schriftlich erklären, welche ungewöhnlichen Auswirkungen richtiges Üben von Ten no Kata auf die eigene Karate-Entwicklung haben kann. Sie betreffen jedenfalls den „Karate-Körper“ und hängen unabdingbar mit der Praxis des Fudō-Dachi zusammen. Da Ten no Kata als grundlegende Kata am „Anfang“ des Trainings im Karate-Dō Shōtōkan-Ryū steht (was nicht bedeutet, dass ihre Übung für „Fortgeschrittene“ an Bedeutung verliert!), wirkt sich das mittels ihrer Hilfe angeeignete Wissen und Können auf alles aus, was im Lehrgebäude folgt.

Schließlich möchte ich noch darauf hinwiesen, dass ich in meinem „Band II“ ausführlich auf historische Hintergründe bezüglich Ten no Kata eingehe.

© Henning Wittwer

Donnerstag, 30. März 2017

Warum ausgerechnet Shōtōkan-Ryū?

Warum übe ich ausgerechnet Shōtōkan-Ryū? Diese berechtigte Frage wurde kürzlich in einem Internetforum gestellt und ich musste nicht lange überlegen. Meine Antwort lautet:

Zum Zugucken und mal kurz Mitmachen fand ich ein paar Karate-Richtungen interessant.

Zum selbst Ausüben ist Karate-Dō Shōtōkan-Ryū die für mich einzig interessante Wahl, und das sind ein paar der Gründe:

(1) unglaubliche technische Tiefe,

(2) einzigartige Übertragungslinie hin zum Kompilator, Funakoshi Gichin Sensei (1868–1957),

(3) mannigfaltige Übertragungslinien ab dem Kompilator einerseits,

(4) gutes Beispiel dafür, wie sich Sport, Kommerz und Einheitsbrei negativ auf eine Schulrichtung auswirken können andererseits,

(5) gute Quellenlage hinsichtlich Geschichte, Lehre, Taktik, Philosophie,

(6) Verbindung von Theorie und Praxis,

(7) sowohl waffenlose als auch bewaffnete (, Sai usw.) Inhalte,

(8) Charakter meiner Übertragungslinie und mein Charakter passen gut zusammen,

(9) ausgeprägte kampfkünstlerische Kultur (Folklore, Dichtung, Kalligrafie usw.).

© Henning Wittwer

Dienstag, 14. März 2017

„Kobudō!?“ – Äh, nein …

Es war kein Stoff aus einer dieser Organisationen mit den Worten „Kobudō“ oder „Kobu-Jutsu“ im Namen, nein. Eine kleine, handverlesene Gruppe von Teilnehmern traf sich am 4. und 5. März 2017 erneut in Niesky, um an meinem Karate-Lehrgang mit dem Thema Stock im Shōtōkan-Ryū teilzunehmen.

Vier Stock-Kata des orthodoxen Shōtōkan-Ryū sind bis heute erhalten geblieben, und zwei von ihnen standen an dem Wochenende auf dem Trainingsplan. Neulingen vermittelte ich theoretische und praktische Kenntnisse zur Shūji no Kon und „alten Hasen“ auf dem Feld des Shōtōkan-Stocks Kenntnisse zu Sakugawa no Kon.

Hinzu kamen Partnerübungen (Kumibō) sowie ein Henka, die teilweise auf dem bereits bekannten Stoff der Vorjahre aufbauten. Wiederholt und vertieft wurden ebenso einige Partnerübungen des Schemas „leere Hand gegen Stock“ (Bō-Dori), die von Funakoshi Gichin Sensei stammen und Kenntnisse im Umgang mit dem Stock voraussetzen.

Daneben machte ich auf verschiedene Unterschiede zwischen der Handhabung des Stocks im Shōtōkan-Ryū und der Handhabung des Stocks in heute bekannten „Kobudō“-Richtungen aufmerksam. Denn es ist wichtig, den Shōtōkan-Stock als historischen wie auch technischen Bestandteil des Shōtōkan-Lehrgebäudes zu begreifen und auszuüben.

Wichtig zu vermitteln war mir ebenfalls, dass die Kata im Shōtōkan-Ryū nicht zum Zweck der Vorführung z. B. auf Wettbewerben o. ä. erlernt werden.

Über die durchgängig wiss- und übungsbegierigen Lehrgangsteilnehmer freute ich mich ebenso wie über erkennbare Fortschritte.

Für die Teilnehmer der Lesestoff zum Vertiefen der Hintergründe: Shūji no Kon sowie Sakugawa no Kon und der Shōtōkan-Stock.


Danke nach Dessau, Leipzig, Potsdam und natürlich Niesky!

© Henning Wittwer

Montag, 9. Januar 2017

Karate-Lehrgang im März 2017 in Niesky

Am ersten Märzwochenende findet erneut ein Karate-Lehrgang mit mir in Niesky statt. Weitere Informationen zum Inhalt des Lehrgangs gebe ich gerne auf Nachfrage. Anmeldungen sind bitte an den Ausrichter zu senden. Die Einladung als PDF gibt es hier.

© Henning Wittwer